DNA kann helfen, die Knochenheilung lokal und gezielt anzuregen, zum Beispiel nach einem komplizierten Knochenbruch oder nach schwerem Gewebeverlust nach einer Operation. Das haben Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Universität Leipzig, der Universität Aveiro (Portugal) und des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle gezeigt. Sie haben ein neues Verfahren entwickelt, bei dem sie Implantatmaterialien mit einem genaktivierten Biomaterial beschichten, das Stammzellen dazu anregt, Knochengewebe zu produzieren. Ihre Ergebnisse wurden in der Zeitschrift veröffentlicht Fortschrittliche Materialien für das Gesundheitswesen.
Knochen sind ein faszinierendes Beispiel für die Regenerationsfähigkeit des Körpers. Dank ihrer Fähigkeit, an der Frakturstelle neues, belastbares Gewebe zu bilden, können sie ihre volle Funktionsfähigkeit auch nach einem Bruch wiedererlangen. „Doch bei komplizierten Frakturen oder größeren Gewebeverlusten reicht selbst die Selbstheilungskraft eines Knochens nicht mehr aus“, erklärt Professor Thomas Groth, Leiter der Forschungsgruppe Biomedizinische Materialien am Institut für Pharmazie der MLU. „In solchen Fällen werden Implantate benötigt, um den Knochen zu stabilisieren, Teile von Gelenken zu ersetzen oder größere Defekte mit abbaubaren Materialien zu überbrücken.“ Der Erfolg solcher Implantate hängt maßgeblich davon ab, wie gut sie in den Knochen einwachsen. In den letzten Jahren wurden verstärkt Anstrengungen unternommen, um diesen Prozess zu unterstützen, indem Implantate mit bioaktiven Materialien beschichtet wurden, um Knochenzellen und mesenchymale Stammzellen zu aktivieren.
Mesenchymale Stammzellen sind in der Lage, verschiedene Arten von Gewebe zu erzeugen, aber ihre Aktivierung zur gezielten Knochenregeneration kann eine besondere Herausforderung darstellen. In solchen Fällen spielt eine extrazelluläre Matrix eine entscheidende Rolle. „Das Gewebe zwischen den Knochenzellen besteht unter anderem aus Kollagenen und Chondroitinsulfat“, erklärt Groth. „Es kann künstlich repliziert und auf die Oberfläche von Implantaten aufgetragen werden, um sie bioaktiv zu machen.“ Dadurch wird sichergestellt, dass Implantate besser aufgenommen werden und weniger wahrscheinlich vom Körper abgestoßen werden. Der künstlichen extrazellulären Matrix können auch Medikamente und Aktivatoren zugesetzt werden, um das Knochenwachstum zu stimulieren. Ein solcher Aktivator ist das Protein BMP-2, das bereits bei Wirbelsäulenversteifungen oder zur Behandlung komplizierter, nicht heilender Frakturen eingesetzt wird. Studien haben jedoch gezeigt, dass die erforderliche hohe Dosis von BMP-2 zu einer unkontrollierten Bildung von Knochengewebe im umgebenden Muskel sowie zu anderen unerwünschten Nebenwirkungen führen kann.
Die Forscher aus Halle, Leipzig und Aveiro schlagen daher ein Verfahren vor, das Stammzellen gezielter stimuliert und deutlich weniger Nebenwirkungen verursacht. Eine Sache, auf die sie sich konzentrieren, ist die Verbesserung des Designs der extrazellulären Matrix. Sie verwenden eine spezielle Schicht-für-Schicht-Technologie, um das Biomaterial auf das Implantat aufzubringen. Dadurch können sie seine Zusammensetzung, Struktur und Eigenschaften auf Nanoebene steuern. „Das ist ein ausgeklügeltes Verfahren, das wir an der MLU in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IMWS perfektioniert haben“, erklärt Thomas Groth.
Dieses Design auf Nanoebene wird benötigt, um das Biomaterial zu funktionalisieren; dabei stützen sie sich auf die Expertise von Kollege Dr. Christian Wölk aus Leipzig. Anstatt große Mengen BMP-2 direkt in den Biofilm einzubauen und eine unkontrollierte Freisetzung zu riskieren, verpackt er DNA-Fragmente in Lipid-Nanopartikel, die als Transportbehälter dienen. Erst nach dem Einsetzen des Implantats wandert die DNA in die Zellen des Knochengewebes und stimuliert diese zur Produktion von BMP-2. Dies wiederum aktiviert die knochenbildenden Stammzellen.
„Die extrazelluläre Matrix als dünne Oberflächenbeschichtung nachzubilden und mit Nanopartikeln zu funktionalisieren, ist ein Meilenstein in der pharmazeutischen Materialforschung“, erklärt Thomas Groth. „DNA kann gezielt freigesetzt werden und begrenzt die Stimulierung des Gewebewachstums zeitlich und örtlich, ohne unerwünschte Nebenwirkungen hervorzurufen.“ Das Verfahren eignet sich laut Groth grundsätzlich auch zum Transport von mRNA und erweitert damit die Möglichkeiten der Regenerativen Medizin – nicht nur im Bereich des Knochenaufbaus, sondern auch für andere therapeutische Anwendungen.