Supersolids sind ein relativ neues und spannendes Forschungsgebiet. Sie weisen gleichzeitig sowohl feste als auch superflüssige Eigenschaften auf. 2019 konnten drei Forschungsgruppen diesen Zustand erstmals zweifelsfrei in ultrakalten Quantengasen nachweisen, darunter die Forschungsgruppe um Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) in Innsbruck.
Im Jahr 2021 untersuchte das Team von Francesca Ferlaino im Detail den Lebenszyklus von superfesten Zuständen in einem dipolaren Gas aus Dysprosium-Atomen. Dabei beobachteten sie etwas Unerwartetes: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass ein Temperaturanstieg die Bildung superfester Strukturen fördert“, erzählt Claudia Politi aus dem Team von Francesca Ferlaino. „Dieses überraschende Verhalten war ein wichtiger Impuls für die Theorie, die thermischen Schwankungen in diesem Zusammenhang bisher wenig Beachtung geschenkt hatte.“
Die Innsbrucker Wissenschaftler haben sich mit der dänischen Theoriegruppe um Thomas Pohl zusammengetan, um den Effekt thermischer Schwankungen zu erforschen. Sie wurden entwickelt und veröffentlicht in Naturkommunikation ein theoretisches Modell, das die experimentellen Ergebnisse erklären kann und die These unterstreicht, dass eine Erwärmung der Quantenflüssigkeit zur Bildung eines Quantenkristalls führen kann. Das theoretische Modell zeigt, dass sich diese Strukturen mit steigender Temperatur leichter bilden können.
„Mit dem neuen Modell haben wir nun erstmals ein Phasendiagramm, das die Bildung eines superfesten Zustands in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt“, freut sich Francesca Ferlaino. „Das überraschende Verhalten, das unserer alltäglichen Beobachtung widerspricht, ergibt sich aus der anisotropen Natur der Dipol-Dipol-Wechselwirkung der stark magnetischen Atome von Dysprosium.“
Die Forschung ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis superfester Materiezustände und wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, dem Europäischen Forschungsrat ERC und der Europäischen Union gefördert.