Solvatisierte Dielektronen sind Gegenstand vieler Hypothesen unter Wissenschaftlern, wurden jedoch nie direkt beobachtet. Sie werden als Elektronenpaar beschrieben, das in Flüssigkeiten wie Wasser oder flüssigem Ammoniak gelöst ist. Um Platz für die Elektronen zu schaffen, bildet sich in der Flüssigkeit ein Hohlraum, den die beiden Elektronen einnehmen. Ein internationales Forschungsteam um Dr. Sebastian Hartweg, zunächst am Synchrotron SOLEIL (Frankreich), jetzt am Institut für Physik der Universität Freiburg und Prof. Dr. Ruth Signorell von der ETH Zürich, darunter Wissenschaftler des Synchrotrons SOLEIL und der Auburn University ( US) ist es nun gelungen, einen Entstehungs- und Zerfallsprozess des solvatisierten Dielektrons zu entdecken. In Experimenten am Synchrotron SOLEIL (DESIRS-Beamline) fand das Konsortium direkte, durch quantenchemische Berechnungen gestützte Beweise für die Bildung dieser Elektronenpaare durch Anregung mit ultraviolettem Licht in winzigen Ammoniaktröpfchen, die ein einzelnes Natriumatom enthalten. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift veröffentlicht Wissenschaft.
Spuren eines ungewöhnlichen Prozesses
Wenn durch Anregung mit ultraviolettem Licht in winzigen Ammoniaktröpfchen, die ein Natriumatom enthalten, Dielektronen entstehen, hinterlassen sie Spuren in einem ungewöhnlichen Prozess, den Wissenschaftler nun erstmals beobachten konnten. Dabei wandert eines der beiden Elektronen zu den benachbarten Lösungsmittelmolekülen, während gleichzeitig das andere Elektron herausgeschleudert wird. „Das Überraschende daran ist, dass ähnliche Prozesse bisher hauptsächlich bei viel höheren Anregungsenergien beobachtet wurden“, sagt Hartweg. Das Team konzentrierte sich auf dieses zweite Elektron, weil es interessante Anwendungen dafür geben könnte. Einerseits entsteht das ausgestoßene Elektron mit sehr geringer kinetischer Energie, es bewegt sich also sehr langsam. Andererseits kann diese Energie durch das eingestrahlte UV-Licht gesteuert werden, wodurch der gesamte Prozess in Gang gesetzt wird. Solvatierte Dielektronen könnten somit als gute Quelle für niederenergetische Elektronen dienen.
Gezielt mit variabler Energie erzeugt
Solche langsamen Elektronen können verschiedenste chemische Prozesse in Gang setzen. Sie spielen beispielsweise eine Rolle in der Kaskade von Prozessen, die zu Strahlenschäden in biologischem Gewebe führen. Sie sind auch in der synthetischen Chemie wichtig, wo sie als wirksame Reduktionsmittel dienen. Durch die Möglichkeit, langsame Elektronen mit variabler Energie selektiv zu erzeugen, können die Mechanismen solcher chemischen Prozesse künftig detaillierter untersucht werden. Darüber hinaus könnte die den Elektronen kontrolliert zur Verfügung gestellte Energie auch dazu genutzt werden, die Wirksamkeit von Reduktionsreaktionen zu steigern. „Das sind interessante Perspektiven für mögliche zukünftige Anwendungen“, sagt Hartweg. „Unsere Arbeit liefert die Grundlage dafür und hilft, diese exotischen und immer noch rätselhaften solvatisierten Dielektronen etwas besser zu verstehen.“