Neue synthetische Stoffwechselwege zur Fixierung von Kohlendioxid könnten nicht nur dazu beitragen, den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zu reduzieren, sondern auch herkömmliche chemische Herstellungsverfahren für Arzneimittel und Wirkstoffe durch klimaneutrale, biologische Prozesse ersetzen. Eine neue Studie zeigt einen Prozess, der Kohlendioxid mithilfe von Ameisensäure in einen wertvollen Stoff für die biochemische Industrie umwandeln kann.
Angesichts steigender Treibhausgasemissionen ist Carbon Capture, die Bindung von Kohlendioxid aus großen Emissionsquellen, ein dringendes Thema. In der Natur findet die Aufnahme von Kohlendioxid bereits seit Millionen von Jahren statt, ihre Kapazität reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die vom Menschen verursachten Emissionen zu kompensieren.
Forscher um Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie nutzen den Werkzeugkasten der Natur, um neue Wege der Kohlendioxid-Fixierung zu entwickeln. Nun ist es ihnen gelungen, einen künstlichen Stoffwechselweg zu entwickeln, der aus Ameisensäure, einem möglichen Zwischenprodukt der künstlichen Photosynthese, das hochreaktive Formaldehyd herstellt. Formaldehyd könnte ohne toxische Wirkung direkt in mehrere Stoffwechselwege eingespeist werden, um andere wertvolle Stoffe zu bilden. Wie im natürlichen Prozess sind zwei Hauptkomponenten erforderlich: Energie und Kohlenstoff. Ersteres kann nicht nur durch direktes Sonnenlicht, sondern auch durch Strom – beispielsweise aus Solarmodulen – bereitgestellt werden.
Ameisensäure ist ein C1-Baustein
Innerhalb der Wertschöpfungskette ist die Kohlenstoffquelle variabel. Kohlendioxid ist hier nicht die einzige Option, es kommen alle Monokohlenstoffe (C1-Bausteine) in Frage: Kohlenmonoxid, Ameisensäure, Formaldehyd, Methanol und Methan. Allerdings sind fast alle dieser Stoffe hochgiftig – entweder für lebende Organismen (Kohlenmonoxid, Formaldehyd, Methanol) oder für den Planeten (Methan als Treibhausgas). Nur Ameisensäure wird, wenn sie zu ihrer Base Formiat neutralisiert wird, von vielen Mikroorganismen in hohen Konzentrationen toleriert.
„Ameisensäure ist eine vielversprechende Kohlenstoffquelle“, betont Maren Nattermann, Erstautorin der Studie. „Doch die Umwandlung in Formaldehyd im Reagenzglas ist recht energieintensiv.“ Dies liegt daran, dass das Salz der Ameisensäure, Formiat, nicht einfach in Formaldehyd umgewandelt werden kann. „Zwischen den beiden Molekülen besteht eine ernsthafte chemische Barriere, die wir mit biochemischer Energie – ATP – überbrücken müssen, bevor wir die eigentliche Reaktion durchführen können.“
Ziel des Forschers war es, einen wirtschaftlicheren Weg zu finden. Denn je weniger Energie nötig ist, um Kohlenstoff in den Stoffwechsel einzuspeisen, desto mehr Energie bleibt übrig, um Wachstum oder Produktion voranzutreiben. Aber einen solchen Weg gibt es in der Natur nicht. „Es erfordert etwas Kreativität, sogenannte promiskuitive Enzyme mit mehreren Funktionen zu entdecken“, sagt Tobias Erb. „Die Entdeckung potenzieller Enzyme ist jedoch nur der Anfang. Wir sprechen von Reaktionen, die man mitzählen kann, weil sie so langsam sind – in manchen Fällen weniger als eine Reaktion pro Sekunde pro Enzym. Natürliche Reaktionen können passieren.“ tausendmal schneller.“ Hier kommt die synthetische Biochemie ins Spiel, sagt Maren Nattermann: „Wer die Struktur und den Mechanismus eines Enzyms kennt, weiß, wo man eingreifen muss. Hier profitieren wir erheblich von den Vorarbeiten unserer Kollegen aus der Grundlagenforschung.“
Hochdurchsatztechnologie beschleunigt die Enzymoptimierung
Die Optimierung der Enzyme umfasste mehrere Ansätze: Bausteine wurden gezielt ausgetauscht, zufällige Mutationen erzeugt und auf ihre Leistungsfähigkeit hin selektiert. „Formiat und Formaldehyd sind beide hervorragend geeignet, weil sie Zellwände durchdringen. Wir können Formiat in das Nährmedium von Zellen geben, die unsere Enzyme produzieren, und das entstehende Formaldehyd nach wenigen Stunden in einen ungiftigen gelben Farbstoff umwandeln“, erklärt Maren Nattermann .
Ohne den Einsatz von Hochdurchsatzmethoden wäre das Ergebnis in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen. Um dies zu erreichen, kooperierten die Forscher mit ihrem Industriepartner Festo mit Sitz in Esslingen. „Nach rund 4000 Varianten haben wir eine Vervierfachung der Produktion erreicht“, sagt Maren Nattermann. „Damit haben wir die Grundlage für das Modell Mikrobe geschaffen Escherichia coli, das mikrobielle Arbeitstier der Biotechnologie, um auf Ameisensäure zu wachsen. Derzeit können unsere Zellen Formaldehyd jedoch nur produzieren, nicht weiter umwandeln.“
Gemeinsam mit Kooperationspartner Sebastian Wenk vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie entwickeln die Forscher derzeit einen Stamm, der die Zwischenprodukte aufnehmen und in den Zentralstoffwechsel einschleusen kann. Parallel dazu forscht das Team mit einer Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion unter der Leitung von Walter Leitner an der elektrochemischen Umwandlung von Kohlendioxid zu Ameisensäure. Langfristiges Ziel ist eine „All-in-One-Plattform“ – von Kohlendioxid über einen elektrobiochemischen Prozess bis hin zu Produkten wie Insulin oder Biodiesel.